Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen! Habe ich sonst mein Fazit zum Ende des Verbandsjahres auf dem vorweihnachtlichen Festabend in Fischbachau gezogen, bleibt mir diese Möglichkeit heuer verwehrt. Denn natürlich sind auch die Weihnachtstagung und ihr traditioneller Abschluss, der vorweihnachtliche Festabend, wie so viele andere Veranstaltungen der Pandemie zum Opfer gefallen.

Das ist aber beileibe nicht die einzige Absage, die uns in diesem Jahr als Verband getroffen hat. Leider mussten wir unsere für Mai 2020 schon in allen Einzelheiten geplante Landesvertreterversammlung auf den Frühsommer 2021 verlegen, und auch unsere jährliche Veranstaltung in der bundesweiten Reihe „Justiz im Dialog“ blieb auf der Strecke. Es ist mir trotzdem ein großes Anliegen, mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen zu bedanken, die an der Planung und Organisation dieser und weiterer Veranstaltungen des BRV beteiligt waren, namentlich bei dem Organisationsteam der LVV 2020 rund um die Kollegen Truppei, Lehmann und Heusinger vom Bezirksverband Bamberg und bei der Kollegin Kaps für die Organisation von „Justiz im Dialog“.

Sie können sich sicher vorstellen, wie sehr wir die erzwungene Absage aller unserer „Flagschiff-Veranstaltungen“ in diesem Jahr bedauern. Zeit und Mühen der vergeblichen Organisation sind das eine, noch trauriger sind wir aber darüber, dass uns heuer nahezu vollständig die Möglichkeit zum persönlichen Treffen und zum kollegialen Austausch und Gespräch mit Ihnen gefehlt hat. Wir hoffen daher sehr, dass uns allen nächstes Jahr persönlich wie verbandlich wieder bessere Zeiten bevorstehen.

Erwartungsgemäß waren wir in diesem Jahr nicht nur bei unseren Veranstaltungen sehr eingeschränkt, sondern unsere Kontakte in die Politik, auch zu unserem Justizminister, mussten ebenfalls zwangsläufig auf ein Minimum beschränkt werden. Immerhin ist es uns noch kurz vor dem ersten Lockdown im März gelungen, das alljährliche Ministergespräch zu führen und dabei auf wesentliche Probleme bei der Personalausstattung und die vielfältigen IT-Probleme hinzuweisen. Im Vorfeld der Verhandlungen zum (diesmal nur) Einzelhaushalt 2021 habe ich mehrere Gespräche mit dem Leiter der Personalabteilung, Herrn Dr. Schulz, geführt und auf den Personalbedarf im richterlichen/staatsanwaltlichen wie auch im nichtrichterlichen Bereich hingewiesen. Auch den Wegfall der im Zuge der Flüchtlingskrise als „kw-Stellen“ geschaffenen Stellen habe ich erneut angesprochen. Leider konnte man bei der gegenwärtigen Haushaltslage keine großen Verbesserungen für die Justiz erwarten, und so wurde nun – trotz eines umfangreichen Forderungspakets aus dem Justizministerium – lediglich eine magere Stellenmehrung von 5 R1-Stellen sowie 35 Stellen im nichtrichterlichen Dienst in den Haushaltsgesetzentwurf aufgenommen. Neben einigen Stellenhebungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich gibt es wenigstens eine erfreuliche Nachricht: Die insgesamt 62 R-Stellen mit „kw-Vermerk“ sollen, ebenso wie ein Großteil der „kw-Stellen“ im nichtrichterlichen Bereich, 2021 entfristet werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass diese Regelung gerade kleineren Gerichten deutlich mehr Planungssicherheit gibt. Wir können sie wenigstens als kleinen Erfolg (auch) unserer verbandlichen Bemühungen verbuchen.

Insgesamt haben wir uns im Rahmen der Haushaltsverhandlungen bemüht, unsere Devise „Solidarität ja, Sonderopfer nein“ konsequent umzusetzen. Deshalb haben wir bewusst auf laute öffentlichkeitswirksame Rufe nach mehr Personal und höherer Besoldung verzichtet, weil wir das angesichts der öffentlichen Diskussion über die Arbeitsbedingungen in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, insbesondere in der Gesundheits- und Altenpflege, für unangemessen hielten. Gleichwohl habe ich in verschiedenen Interviews wiederholt auf die besondere Bedeutung der Justiz gerade in Krisenzeiten hingewiesen und bin für eine bessere personelle, aber auch technische Ausstattung der Justiz eingetreten – dies insbesondere vor dem Hintergrund der seitens des Justizministers medial herausgestellten Möglichkeiten „virtueller Gerichtsverhandlungen.“

Auch zum Thema Besoldung kann ich Ihnen Neuigkeiten berichten: Wie Sie ja wissen, hat das BVerfG im Mai bzw. Juli 2020 richtungsweisende Entscheidungen zur R-Besoldung getroffen, zu deren Auswirkungen in Bayern unser Besoldungsreferent Dr. Diehm im August eine Stellungnahme für den BRV verfasst hat. Wir haben diese Stellungnahme damals in den Bezirks- und Fachverbänden verteilt, so dass ich hoffen darf, dass sie Sie auch erreicht hat. Bereits damals hat sich uns die Frage gestellt, ob wir zur Vermeidung künftiger Nachteile gehalten sind, massenhaft „Anträge auf verfassungskonforme Besoldung“ zu stellen. Mit Schreiben vom 04.08.2020 hat das Finanzministerium hierzu angekündigt, dass derzeit geprüft werde, ob und wie sich die Rechtsprechung des BVerfG auf die R-Besoldung in Bayern auswirke. Während des Laufs dieser Prüfung seien Antragstellungen für das Kalenderjahr 2020 nicht erforderlich. Wie eine Nachfrage meinerseits zum Jahresende ergeben hat, sind diese Prüfungen nach wie vor nicht abgeschlossen. Das StMFH beabsichtigt aber, im Laufe des Jahres 2021 damit zu Ende zu kommen. Da Anträge auf verfassungskonforme Besoldung für das Jahr 2021 noch bis zum Jahresende 2021 gestellt werden können, sei eine Antragstellung daher weiterhin nicht erforderlich. Selbstverständlich werden wir hier aber den Sachstand für Sie im Blick behalten und Sie gegebenenfalls rechtzeitig im Laufe des nächsten Jahres informieren.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu einem Thema, das in den letzten Wochen ebenfalls wiederholt an uns herangetragen wurde – Stichwort „Corona-Impfungen“ und Impfpriorisierungen. Namentlich die Betreuungsrichterinnen und -richter unter Ihnen haben mit Sorge die Priorisierungsempfehlungen der STIKO zur Kenntnis genommen, bei denen die Justiz nicht einmal namentlich erwähnt wurde. Auch dieses Thema wurde sowohl auf Bundesebene im Präsidium des DRB als auch im Landesvorstand intensiv diskutiert. Übereinstimmend waren wir der Meinung, dass ein öffentliches Eintreten für eine Impfpriorisierung der gesamten Justiz – z.B. durch aktive Medienarbeit – nicht angebracht ist. Dennoch haben sich sowohl der Bundesverband als auch mehrere Landesverbände bereits in informellen Gesprächen mit den jeweiligen Justizministerien, Rechts- und Gesundheitspolitikern dafür eingesetzt, zumindest die Kolleginnen und Kollegen mit besonders intensivem Kontakt zu Risikogruppen (z.B. Betreuungsrichter, Bereitschaftsrichter) oder allgemein besonders umfangreichem Publikumskontakt (z.B. Ermittlungsrichter) bei Impfungen möglichst frühzeitig zu berücksichtigen. Ich stand in dieser Frage im Austausch mit dem Amtschef des Justizministeriums. Nach seinen Ausführungen soll mittlerweile nach den Planungen des Bundesgesundheitsministeriums der Systemrelevanz der Justiz bei der Impfpriorisierung Rechnung getragen werden. Zum einen soll die Justiz als Ganzes ausdrücklich in einer Priorisierungsgruppe berücksichtigt werden, zum anderen werden auch Bestrebungen diskutiert, einzelne besonders gefährdete Richtergruppen noch höher zu priorisieren. Derzeit sind die Beratungen aber noch nicht abgeschlossen, wenn auch zu erwarten ist, dass dies spätestens im Laufe der nächsten Woche der Fall sein wird, wenn denn die Zulassung für den Impfstoff bereits am 21.12.2020 erteilt werden soll. Sie können aber sicher sein, dass wir auch hier am Ball bleiben und uns soweit irgend möglich für die Belange unserer Kolleginnen und Kollegen einsetzen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie Sie aus diesem kurzen Abriss des ausgehenden Jahres erkennen können, haben auch unsere nach außen wahrnehmbaren Verbandsaktivitäten im Jahr 2020 aufgrund der misslichen äußeren Umstände deutlich abgenommen. Trotzdem bemühen wir uns unverändert, uns für Ihre und unsere beruflichen Interessen mit allem Nachdruck einzusetzen. Wir hoffen sehr, dass wir das im nächsten Jahr auch wieder vor Ort, im Gespräch mit den Entscheidungsträgern in der Politik, aber auch mit Ihnen tun können.

Ihnen allen wünsche ich im Namen des gesamten Landesverbands ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein gesundes, glückliches und vor allem irgendwann auch wieder „normales“ Neues Jahr.

Herzliche Grüße

Andrea Titz
Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins e.V.