Stärke des Rechts in Krisenzeiten

Eine Festveranstaltung im Foyer des Justizpalastes in Nürnberg bildete am 07.04.2022 den Auftakt für den dreitägigen landesweiten Verbandskongress des Bayerischen Richterverein e.V. (BRV), des mit über 2.900 Mitgliedern größten Berufsverbands der Richter und Staatsanwälte in Bayern.

Zahlreiche hochrangige Gäste aus Rechtspflege, Politik und Gesellschaft folgten der Einladung der BRV-Vorsitzenden Andrea Titz und wurden von Oberbürgermeister Marcus König namens der Stadt Nürnberg willkommen geheißen. In seinem Grußwort bescheinigte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, dass die Justiz gerade in der Krise als Kontrollinstanz politischen Handelns funktioniert habe. Bei allen unterschiedlichen Meinungen zu einzelnen Gerichtsentscheidungen dürfe die Unabhängigkeit der Justiz daher nie in Frage gestellt werden. Eisenreich verknüpfte seinen Dank für die geleistete Arbeit in herausfordernden Zeiten mit der Versicherung, sich in personeller, aber auch gesetzgeberischer Hinsicht dafür einzusetzen, dass die Dritte Gewalt im Staate ihren Aufgaben gerecht werden könne. Die Digitalisierung der Justiz sei dabei ein wichtiger Baustein für eine moderne, bürgerfreundliche Justiz, so der Minister.

In seinem Festvortrag mit dem Titel „Rechtsstaat in der Coronakrise“ setzte sich der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Dr. Hans-Joachim Heßler mit dem Spannungsverhältnis zwischen den faktischen und rechtlichen Zwängen staatlichen Handels in einer krisenhaften Ausnahmesituation auseinander. Heßler umriss die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Gerichtsbetrieb und beschrieb notwendig gewordene Anpassungen der Gesetzeslage in verschiedenen Rechtsbereichen, etwa dem Vertrags-, Vereins- und Prozessrecht. Die Justiz habe den Herausforderungen Stand gehalten und den Betrieb aufrechterhalten. So sei die seit langem im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Videoverhandlung neu entdeckt worden.

Aus seinem eigenen Bereich als Präsident des Verfassungsgerichtshofs verzeichnete er eine enorme Steigerung der Popularklagen, die häufig staatliche Coronamaßnahmen zum Gegenstand gehabt hätten. Besondere verfassungsrechtliche Brisanz hätten diese Maßnahmen in Bezug auf die Durchführung von Wahlen gehabt. Auch habe sich die Problematik politischer Entscheidungsnotwendigkeiten trotz noch nicht übereinstimmend feststehender wissenschaftlicher Tatsachengrundlagen gestellt. Heßlers Bilanz fiel gleichwohl positiv aus: Der Rechtsstaat habe seine Funktion auch in schwierigen Situationen erfüllt. Eine hohe Zahl von Klagen sei kein Zeichen für eine Krise des Rechtsstaats, sondern eine Bestätigung für sein Funktionieren, weil offensichtlich das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Verlässlichkeit der Justiz dahinterstehe.

Auf ihrer Arbeitstagung werden sich die rund 90 Delegierten mit Fragen der Funktions- und Zukunftsfähigkeit der Justiz in Zeiten des Umbruchs, innen- und weltpolitischer Krisen und der Erosion scheinbar feststehender Werte befassen. Der Umgang mit Personalengpässen steht dabei ebenso auf der Tagesordnung wie technische Herausforderungen, denen sich die Justiz im Zeitalter der Digitalisierung zu stellen hat.

„Gerade in Krisenzeiten ist eine funktionsfähige Justiz ein tragendes Element eines geordneten gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verlässlichkeit des Rechtsstaats ist eine Grundfeste unserer Arbeit,“ so die Vorsitzende des BRV Andrea Titz. „Als Berufsverband ist es unser Ziel, durch Schaffung bestmöglicher Arbeitsbedingungen für die Justiz den Rechtsgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft zu sichern“.