14.09.20

Eine Bestandsaufnahme

Der Bayerische Richterverein und die EDV in der bayerischen Justiz

Der Bayerische Richterverein (BRV) hat die Einführung und den Betrieb der EDV am richterlichen und staatsanwaltlichen Arbeitsplatz in der bayerischen Justiz seit jeher nicht ablehnend, sondern stets kritisch-konstruktiv begleitet. Maßstab war dabei die aufgabenorientierte Einbeziehung der Kolleginnen und Kollegen in die edv-gestützten Arbeitsabläufe bei Vermeidung einer Verlagerung von Kanzlei- oder Schreibtätigkeit aus den Servicebereichen.

Dies ist leider nur eingeschränkt gelungen.

Zwar wird die richterliche und staatsanwaltschaftliche Tätigkeit durch die Bereitstellung von juristischen Datenbanken wie beck-online, juris oder einschlägigen Berechnungsprogrammen nachhaltig unterstützt. Die Bücherei muss nur noch in Ausnahmefällen aufgesucht werden. Seit kurzem steht auch ein in der Praxis brauchbares Spracherkennungsprogramm für Diktate zur Verfügung.

Die Nutzung der Fachanwendungen führt aber zu einem deutlichen zeitlichen Mehraufwand im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich. Dem steht ein Rationalisierungseffekt im Servicebereich nur dann gegenüber, wenn dort bei der Erzeugung der Reinschriften auf diese Vorarbeit aufgesetzt werden kann. Weil schon für die Altverfahren geforderte wichtige Funktionalitäten, wie etwa die Rückschreibung aus dem Textsystem in die Datenbank bei der Erstellung einer Terminsverfügung, bisher nicht umgesetzt werden konnten, gestaltet sich die Bedienung mitunter im Vergleich zur Verwendung eines Papierformblatts aufwendig und zeitraubend.

Zu hoffen bleibt, dass diese erkannten Defizite bei Konzeption und Umsetzung der neuen Fachverfahren behoben werden. Es ist nämlich schon paradox, dass die teuersten Arbeitskräfte in der bayerischen Justiz zur Entlastung und Unterstützung des Servicebereichs durch den Einsatz der EDV-Systeme herangezogen werden. Umgekehrt sollten diese vielmehr so konzipiert sein, dass sie die Tätigkeit dieser teuersten Mitarbeiter so effizient wie möglich unterstützen und es ihnen ermöglichen, sich auf ihre Kerntätigkeit zu konzentrieren, statt Schreibarbeiten zu erledigen oder Terminsdaten in eine Datenbank einzutragen.

Allerdings spiegelt das EDV-System nur ein generelles Problem in der Organisation der Justiz wider, und zwar das völlige Fehlen eines funktionierenden Sekretariatssystems zur Unterstützung von Richtern und Staatsanwälten.    
Was könnte an zeitlichen Ressourcen für die Kernaufgaben von Richtern und Staatsanwälten allein dadurch freigesetzt werden, dass Terminvereinbarungen mit Verfahrensbeteiligten durch ein Sekretariat erledigt würden!

Dass hier nichts geschieht, sondern im Gegenteil der Servicebereich durch schleichende Auszehrung immer stärker Not leidend wird, ist nicht nachvollziehbar. In der Realität ist oftmals selbst die Erfüllung ihrer Grundfunktionen, nämlich Aktenverwaltung, Ausführung von Verfügungen und von Schreibwerk nicht gewährleistet, wodurch die tägliche richterliche und staatsanwaltliche Arbeit erheblich beeinträchtigt wird. Könnte die Vernachlässigung des gerichtlichen und staatsanwaltlichen Servicebereichs womöglich daran liegen, dass diejenigen, die letztendlich die Verantwortung für die Gerichtsorganisation und deren personelle Ausstattung tragen, selbst derartige Mängel nicht kennen? Verfügt man doch dort nicht nur über Vorzimmer, sprich Sekretariate, sondern auch noch dazu über persönliche Referentinnen oder Referenten, die es ermöglichen, sich jederzeit auf die Kernaufgaben zu konzentrieren.

Es wird Zeit, nicht nur die Fachverfahren zu überarbeiten und dabei die bestehenden mangelhaften Abläufe nur neu zu verdrahten und mit einer modernen, schicken Oberfläche zu übertünchen.      
Nötig ist vielmehr, die Arbeitsabläufe grundlegend zu verbessern und ein System funktionalitätsbezogener Unterstützung der richterlichen und staatsanwaltlichen Tätigkeit zu entwickeln, das die Bezeichnung „Servicebereich“ auch wirklich verdient und von dem die EDV nur ein Baustein, wenn auch ein wichtiger, ist.

Der BRV arbeitet daran jederzeit gerne mit.

Der BRV hat die Einführung und den Betrieb der EDV am richterlichen und staatsanwaltlichen Arbeitsplatz in der bayerischen Justiz seit jeher nicht ablehnend, sondern stets kritisch-konstruktiv begleitet.