Die Einführung der elektronischen Akte in der bayerischen Justiz hat in den letzten Monaten nochmals deutlich an Fahrt aufgenommen. Seit Anfang des Jahres arbeiten das Bayerische Oberste Landesgericht in Zivilsachen, alle Oberlandesgerichte in Zivil- und Familiensachen sowie die Landgerichte in erstinstanzlichen (sowie teilweise auch schon in zweitinstanzlichen) Zivilsachen mit der elektronischen Akte. Die flächendeckende Einführung bei den Amtsgerichten in Zivil-, Familien- und – seit Kurzem – auch in Betreuungs- und Grundbuchsachen ist im Gange. Daneben laufen weitere Pilotierungen zum Beispiel in Straf- und Nachlasssachen.
Vor diesem Hintergrund fand am 28.02.2023 ein Austausch zwischen dem BRV und Vertretern der IT-Abteilung des Staatsministeriums der Justiz zu aktuellen Themen rund um die Justiz-IT statt. Für den BRV nahmen die Vorsitzende Barbara Stockinger, die stellvertretende Vorsitzende Lore Sprickmann Kerkerinck und der EDV-Referent Dr. Christoph Holthusen teil.
Themen in dem offenen und konstruktiven Gespräch waren unter anderem die Ausstattung der Justizangehörigen im Homeoffice, Kommunikationsmöglichkeiten mit Verfahrensbeteiligten (insbesondere aus dem Gesundheitswesen) abseits der Kommunikation per Fax, die Ausstattung der Richterinnen und Richter mit mobilen Lesegeräten für die elektronische Akte, die Einbindung der Praxis bei der Weiterentwicklung des elektronischen Integrationsportals und bei der Schaffung effizienter Arbeitsabläufe mit der elektronischen Akte sowie die Stabilität und Performance des eJustice-Arbeitsplatzes (eIP, eRV usw.).
Die Vertreter des Ministeriums verwiesen dabei auf die bereits initiierte Bereitstellung eines Hardwarekontingents für das Homeoffice, mit der unter Einbeziehung von Telearbeitsplätzen etwa 20 % der Nutzerinnen und Nutzer versorgt werden kann. Eine darüberhinausgehende Ausstattung sei finanziell derzeit nicht darstellbar. Weiter wurden umfangreiche Bemühungen geschildert, insbesondere die Krankenhäuser in den elektronischen Rechtsverkehr einzubeziehen. Dies sei jedoch mühsam und derzeit eher durch direkte Ansprache auf lokaler Ebene erfolgversprechend. Für die mobile Arbeit der Betreuungsrichter werde derzeit der Einsatz von sog. Convertibles erprobt. Zur Ausstattung der Gerichtsgebäude mit Justiz-WLAN wurde darauf verwiesen, dass in den Sitzungssälen flächendeckend WLAN installiert werde, so dass dort (z. B. bei Beratungen) mit den dienstlichen Notebooks ein Online-Zugriff auf die elektronische Akte bestehe. In den Büros sei eine Ausstattung mit WLAN aufgrund der hohen Kosten dagegen problematisch. An der Verbesserung der Systemstabilität von eIP werde mit großem finanziellen Aufwand gearbeitet, dies sei jedoch komplex. Diesbezüglich brachte der BRV den Wunsch nach regelmäßiger Information der Nutzerinnen und Nutzer über den Sachstand zum Ausdruck.
Die Ergebnisse des Gesprächs wurden im Nachgang bei der Landesvorstandssitzung des BRV intensiv erörtert und zu einzelnen Fragen die Bezirksverbände befragt. Auf dieser Grundlage hat sich der BRV nun nochmals an das Staatsministerium gewandt und die bereits im Rahmen des Gesprächs angeregte Gründung einer Praktiker-Arbeitsgruppe bekräftigt, die – auch zur Weiterentwicklung und Ergänzung der bereits bestehenden Leitlinien – in der Praxis auftretende Probleme sowie Anregungen kanalisieren, bewerten und priorisieren soll. Es ist aus Sicht des BRV wünschenswert, möglichst einheitliche Arbeitsweisen in Bezug auf die elektronische Akte zu etablieren, um so die Vorteile der Digitalisierung noch besser nutzen zu können. Vermieden werden sollte, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften bei den Einführungen das Rad immer neu erfinden müssen, ohne von den bereits vorhandenen Erfahrungen zu profitieren. Deshalb wurde auch die Schaffung einer übergreifenden Wissensdatenbank vorgeschlagen.
Mit Blick auf die – nicht zuletzt auch durch die Digitalisierung der Kommunikation und der Akten – stetige Zunahme des Prozessstoffs begrüßt der BRV in dem Schreiben ausdrücklich die bereits laufenden Bestrebungen des Staatsministeriums um den Erwerb und den baldigen Einsatz eines Strukturierungstools zur effizienteren Arbeit mit der elektronischen Akte.
Der BRV wird die Digitalisierung der bayerischen Justiz weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten.