Aggression als Strategie

Der Bayerische Richterverein e.V. (BRV), größter Berufsverband der Richter und Staatsanwälte in Bayern, beklagt eine zunehmende Aggressivität von Prozessbeteiligten in den Gerichtssälen gegenüber Richtern und Staatsanwälten. Hintergrund ist das jüngste skandalöse Gebaren eines Strafverteidigers in einem Prozess vor dem Landgericht München I, das sogar Eingang in die Medienberichterstattung gefunden hat. Dieser hatte die Richterin in öffentlicher Sitzung u.a. als „geistig wirr“ und „völlig irre“ bezeichnet und in einem Fortsetzungstermin durch dauernde lautstarke Zwischenrufe und Beleidigungen in Richtung der Vorsitzenden und der Staatsanwaltschaft die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung vorsätzlich torpediert.

„Die uneingeschränkte Wahrnehmung von Verteidigerrechten gehört zu den wichtigsten Errungenschaften unseres Rechtsstaates.“ sagt BRV-Vorsitzende Andrea Titz. „Die zu Recht weit gefasste Grenze wird aber dann überschritten, wenn es zur Strategie gemacht wird, Richter und Staatsanwälte persönlich zu diffamieren und zu beleidigen, um ein Scheitern des Prozesses zu provozieren.“ Einem solchen Verhalten, das nicht als Verteidigung von Mandantenrechten verbrämt werden könne, müsse Einhalt geboten werden, wolle man die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht gefährden. Abgesehen davon gelte der Ehrenschutz selbstverständlich auch für Richter und Staatsanwälte.

„Die weit überwiegende Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist sich ihrer Funktion als selbständiges Organ der Rechtspflege bewusst und bringt sich mit entsprechendem Ethos bei der Rechtsfindung vor Gericht und in der Gesellschaft ein“, so Titz weiter. Es liege daher im ureigenen Interesse der Anwaltschaft, ihr Ansehen nicht durch das unangemessene Verhalten eines einzelnen Anwalts insgesamt beschädigen zu lassen. Der BRV habe sich daher mit der Bitte um standesrechtliche Prüfung an die Rechtsanwaltskammer München gewandt.