14.09.20

Aktueller Stand und Erfahrungen

Elektronische Akte in Rechtssachen

Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs bestimmt, dass die Prozessakten ab dem 1. Januar 2026 flächendeckend bei allen Staatsanwaltschaften und Gerichten ausschließlich elektronisch zu führen sind.

Lesen Sie nachfolgend aktuelle Berichte zum Sachstand bei der Einführung der elektronischen Gerichtsakte in Bayern und Erfahrungsberichte von Kollegen in Bayern und Rheinland Pfalz. Sie finden die Artikel auch in der neuesten Ausgabe der BRV-Nachrichten (1/2020).

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Was gibt es Neues in Sachen E-Justice? Wo stehen die bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften aktuell? Was wird sich in den nächsten Monaten und Jahren tun? Ich lade ich Sie ein, diese Fragen mit mir genauer zu betrachten, steht der Justiz, in deren Arbeitsweise Papier seit jeher kaum wegzudenken war, nach dem Willen des Gesetzgebers doch nicht weniger als eine Zeitenwende bevor. Spätestens zum 1. Januar 2026 muss bei allen Gerichten und Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik Deutschland flächendeckend mit der elektronischen Akte gearbeitet werden.

Seit dem Jahr 2010 gibt es das Programm „eJustice-Arbeitsplatz“ in Bayern, in welchem alle Maßnahmen gebündelt sind, mit denen die Justiz möglichst umfassend elektronisch arbeiten soll. Schwerpunkte sind hierbei unter anderem die digitale Bearbeitung von Verfahren mit der elektronischen Akte,die Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten aller Art über den  elektronischen Rechtsverkehr (abgekürzt eRV) sowie die Ertüchtigung der Arbeitsplätze in Büros und Sitzungssälen mit einer für die neue Arbeitsweise adäquaten Ausstattung.

In Bayern wird die elektronische Akte aktuell in erstinstanzlichen Zivilsachen an den Landgerichten in Landshut, Regensburg und Coburg sowie seit dem 25. November 2019 am Amtsgericht Straubing pilotiert. Seit dem 23.03.2020 werden auch zweitinstanzliche Zivilsachen beim Landgericht Regensburg elektronisch bearbeitet. Am 20.07.2020 hat das Amtsgericht Dachau als erstes Gericht in Bayern in Familiensachen die Arbeit mit der elektronischen Akte aufgenommen. Für die Bearbeitung der Akten kommt das unter der Federführung Bayerns in einem Verbund mit fünf weiteren Bundesländern entwickelte elektronische Integrationsportal (eIP) zum Einsatz. eIP ist eines von insgesamt drei Systemen, mit denen in Deutschland die elektronische Verfahrensakte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften realisiert wird. eIP ermöglicht es, die elektronische Akte in allen Verfahrens- und Fachbereichen im Sinne eines einheitlichen eJustice-Arbeitsplatzes zusammen mit den Fachverfahren (z. B. forumSTAR, web.sta oder Eureka-Fach) und anderen zur Bearbeitung der Akte erforderlichen Anwendungen (z. B. Office-Anwendungen) zu lesen, zu erschließen und zu bearbeiten. Berücksichtigt sind dabei die Arbeitsabläufe und Anforderungen aller, die in der Justiz mit der elektronischen Akte arbeiten.

An den Pilotgerichten werden aktuell (Stand: 15.08.2020) ca. 30.500 elektronische Akten geführt. Nach einem Prozess der Konsolidierung und Weiterentwicklung auf Grundlage der Rückmeldungen und Erfahrungen der Pilotgerichte läuft die Pilotierung an den Gerichten derzeit so stabil, dass die Ausweitung vorbereitet wird. Anfang 2021 soll die elektronische Akte in Zivil- und Familiensachen in der zweiten Instanz am Oberlandesgericht München pilotiert werden. Schließlich wird die Digitalisierung auch in anderen Verfahrensbereichen gefördert. So soll das eIP die derzeitige Zweitaktenanwendung an den Staatsanwaltschaften als Vorstufe zur Einführung der führenden eAkte ablösen. Auch bei einem Grundbuchamt ist eine Pilotierung der elektronischen Akte mit SolumSTAR noch für 2020 vorgesehen. Bei weiterhin positivem Verlauf soll im kommenden Jahr mit der flächendeckenden Regeleinführung der elektronischen Akte in Zivilsachen begonnen werden.

Die bisherigen positiven Erfahrungen der Pilotgerichte in Bayern und in den anderen Bundesländern des eIP-Verbunds zeigen, dass eine baldige Regeleinführung realistisch ist. In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern arbeiten bereits erste Gerichte mit eIP, Hamburg bereitet diesen Schritt gerade vor. Besonders Rheinland-Pfalz hat schon große Fortschritte gemacht. Dort soll die elektronische Akte im Laufe des Jahres 2020 an allen acht Landgerichten sowie an den Amtsgerichten an den Standorten der Landgerichte in Zivil-, Familien-, Immobiliarvollstreckungs- und Betreuungssachen eingeführt sein. Bei den Staatsanwaltschaften pilotiert Hamburg seit Februar 2020 die elektronische Akte zusammen mit der dortigen Fachanwendung MESTA.

Auch die Fachgerichte in Bayern werden künftig mit eIP in Verbindung mit den dort eingesetzten Fachverfahren Eureka-Fach und Go§a arbeiten. Die entsprechenden Projekte, die eine Pilotierung vorbereiten und umsetzen sollen, haben die Arbeit aufgenommen.

Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass die ausschließlich elektronische Arbeit bei Gericht gut funktioniert. Gerade in den Zeiten des Lockdowns während der Corona-Pandemie haben viele Anwenderinnen und Anwender die Vorzüge digitalen Arbeitens zu schätzen gelernt. Wir wollen darüber hinaus auch ein effizientes, zügiges und von technischen Störungen weitgehend freies Arbeiten sicherstellen. Nur dann kommen die Vorzüge der elektronischen Akte voll zur Geltung und ermöglichen den Anwenderinnen und Anwendern, sich auf ihre Kernaufgabe der Rechtsanwendung zu konzentrieren.

Für die Vollständigkeit des eJustice-Puzzles ist der elektronische Rechtsverkehr unerlässlich. Zwar können Medienbrüche, also das Erfordernis, Papierdokumente in elektronische Dokumente übertragen zu müssen und umgekehrt, nicht immer gänzlich vermieden werden, jedoch ist für das ersetzende Scannen eine umfassende Scanlösung vorgesehen. Damit kann das Dokument elektronisch bearbeitet und das Papieroriginal alsbald vernichtet werden.

Der elektronische Rechtsverkehr ist in Bayern seit dem 1. Januar 2018 für alle Verfahrensarten (für Bußgeldverfahren seit dem 01.01.2019) im Eingangsbereich umgesetzt. Die Einführung der sogenannten Stufe 2, die auch den Versand von Nachrichten ermöglicht, läuft an den ordentlichen Gerichten seit Februar 2019 schrittweise und wird bis spätestens Ende 2021 abgeschlossen sein. Für die Staatsanwaltschaften werden derzeit die technischen Möglichkeiten für einen elektronischen Versand mit web.sta geschaffen.

Die Bedeutung des elektronischen Rechtsverkehrs wird an der Zahl der elektronischen Nachrichten deutlich. Die wöchentlich eingehenden elektronischen Nachrichten haben sich seit Anfang 2019 nahezu verzehnfacht. Aktuell erreichen die ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften wöchentlich bis zu 40.000 Nachrichten – Tendenz weiter steigend! Die Zahl der ausgehenden Nachrichten liegt mit ca. 35.000 Nachrichten etwa gleich hoch, obwohl erst bei 76 von 99 Gerichten die Stufe 2 des elektronischen Rechtsverkehrs umgesetzt ist (Stand: 15.08.2020).

Auch die Sitzungssäle und Büros an den Gerichten und Staatsanwaltschaften werden sich in den nächsten Jahren verändern. Diese werden dem Rollout der elektronischen Akte folgend ertüchtigt, um sicherzustellen, dass die Anwenderinnen und Anwender die Vorteile der elektronischen Akte tatsächlich nutzen können. Für die Büroarbeitsplätze bedeutet dies eine Ausstattung mit leistungsfähigen Rechnern, bei Entscheidern Laptops, um ein mobiles Arbeiten zu ermöglichen, sowie bei Servicekräften Desktop-PCs. Zudem wird jeder Arbeitsplatz mit zwei 27 Zoll-UHD Monitoren ausgestattet, so dass gleichzeitig mehrere Akten oder unterschiedliche Aktenteile angesehen oder verschiedene Anwendungen (z. B. Fachverfahren oder juristische Datenbank) gleichzeitig im elektronischen Integrationsportal bequem, übersichtlich und ergonomisch bearbeitet werden können.

In den Sitzungssälen werden die Richterplätze jeweils mit Touch-Monitoren ausgestattet. Parallel wird in größeren Sitzungssälen eine Mediensteuerung installiert, die einen großen Saalmonitor zur Anzeige von Akteninhalten für die Verfahrensbeteiligten und eine Dokumentenkamera beinhaltet. Dabei sollen (Bildschirm-)Inhalte von jedem Bildschirm auf den anderen angezeigt werden können. Damit können z.B. auch Rechtsanwälte von ihren Geräten digitale Inhalte zur Ansicht einspeisen. Für Einzelrichtersäle wurde eine schlankere Ausstattungsvariante entwickelt, die einerseits die Anforderungen von eJustice erfüllt und andererseits einfach installier- und bedienbar ist. Auch hier wird es möglich sein, digitale Inhalte für die Verfahrensbeteiligten sichtbar zu machen.

Der Umfang der notwendigen Arbeiten zeigt, dass die flächendeckende Einführung von eJustice für alle Justizmitarbeiter, aber auch für alle, die mit der Justiz in Kontakt kommen (Rechtsanwälte, Sachverständige, Unternehmen und Bürger) noch einige Herausforderungen mit sich bringen wird. Diese gilt es anzunehmen und zu meistern. Die vor uns stehenden Aufgaben mögen groß sein, unlösbar sind sie jedenfalls dann nicht, wenn alle mitmachen.

Gemeinsam haben wir bereits viel erreicht. Sie werden feststellen: E-Justice ist prima.

Wolfgang Gründler
Direktor des IT-Servicezentrums der bayerischen Justiz

Die führende elektronische Akte ist in Bayern von Oktober 2016 bis November 2017 bei den Landgerichten Landshut, Regensburg und Coburg pilotweise eingeführt worden. Der eJustice-Arbeitsplatz hatte sich dabei von Beginn an grundsätzlich bewährt. Die Pilotierungsgerichte hatten aber auch festgestellt, dass verschiedene Bereiche noch verbessert werden müssen. Das betraf in erster Linie die Hardwareausstattung, die Betreuung und das elektronische Integrationsportal (Programm eIP), mit dem die elektronische Akte bearbeitet wird. Im Februar 2018 war daraufhin vereinbart worden, die Ausweitung der Pilotierung auf weitere Gerichte zunächst zurückzustellen und die bestehenden Probleme zu beheben. Die folgende Zeit wurde dazu genutzt, störanfällige Hardware auszutauschen, die Betreuung der Anwender zu verbessern und eIP nach den Wünschen der Anwender weiterzuentwickeln. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IT-Servicezentrums der bayerischen Justiz und des Staatsministeriums der Justiz standen hier in regelmäßigem und intensivem Austausch mit den Anwendern, Richter- und Personalvertretungen und Leitungen der Pilotierungsgerichte. Ende September 2019 wurde mit den Oberlandesgerichten und Pilotierungsgerichten schließlich abgestimmt, die Erprobung der elektronischen Akte nunmehr bis Mitte 2020 schrittweise weiter auszuweiten, beginnend im November 2019 auf die zivilgerichtlichen Verfahren beim Amtsgericht Straubing, anschließend auf die zweitinstanzlichen Verfahren bei dem Landgericht Regensburg (Zivilverfahren), das Amtsgericht Dachau (Familiensachen) und das Oberlandesgericht München (Zivil- und Familiensachen). Der Einsatz der elektronischen Akte ist heute stabil und in weiten Bereichen auch effizienter und schneller als bisher. Das hat zu einer spürbaren Steigerung der Akzeptanz der elektronischen Akte bei den Richterinnen und Richtern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gerichte geführt. Bei unseren Besuchen vor Ort haben uns die Anwender weit überwiegend versichert, nicht mehr mit der Papierakte tauschen zu wollen. Die gute Akzeptanz der elektronischen Akte mit eIP in Bayern und in Rheinland-Pfalz kommt auch in den in dieser Ausgabe veröffentlichten Anwenderberichten aus Landshut und Bad Kreuznach zum Ausdruck. Die Rückmeldungen aus dem Amtsgericht Straubing, bei dem die elektronische Akte seit 25. November 2019 eingesetzt wird, sind ebenfalls sehr positiv.

Die intensive Arbeit der letzten zwei Jahre hat sich also gelohnt. Ein wichtiger Schlüssel dafür war das große Engagement und die Geduld der Pilotierungsgerichte sowie die enge Zusammenarbeit mit dem IT-Servicezentrum der bayerischen Justiz und den am eIP-Verbund beteiligten Ländern. Hierfür möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.

Auch wenn große Fortschritte bei eJustice erzielt wurden: Wichtige Aufgaben liegen noch vor uns. Der elektronische Rechtsverkehr, der erfreulich gut angenommen wird, muss weiter ausgebaut und die Betreuung im technischen Bereich weiter ertüchtigt werden. Angesichts der positiven Entwicklung in den vergangenen Jahren sind wir aber sehr zuversichtlich, dass im ersten Quartal 2021 mit der Regeleinführung der elektronischen Akte in Zivil- und Familiensachen begonnen werden kann.

Regierungsdirektor Dr. Martin Wachter
Ministerialdirigent Heinz-Peter Mair
Bayerisches Staatsministerium der Justiz

In den fünf Jahren seit dem Start der elektronischen Akte am Landgericht Landshut hat sich viel getan.

Zunächst die schlechte Nachricht: Die Umstellung der Arbeitsweise kostet Energie, Zeit und Bereitschaft zur Veränderung. Wer diese jedoch investiert, wird feststellen, dass eIP ein sehr gelungenes System ist, das – jedenfalls derzeit – sehr stabil und ohne große Verzögerungen arbeitet.

Wenn man es gewöhnt ist mit der elektronischen Akte zu arbeiten, bieten sich zahlreiche Vorteile, die man nicht mehr missen möchte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Akte durch Einfügen von Lesezeichen, Anmerkungen oder Markierungen zu strukturieren. Beispielsweise können auch Schriftsätze kategorisiert werden. Bereits nach dem ersten Lesen eines Schriftsatzes kann für diesen eine Kategorie (z.B. „zur Sache“, „relevant“) vergeben werden und zur weiteren Bearbeitung der Akte lässt man sich nur die relevanten Teile der Akte anzeigen. Das erhöht die Übersichtlichkeit und man stellt schnell fest, dass auch sehr „dicke“ Akten plötzlich überschaubar werden.

Der Aktenumlauf hat sich erheblich beschleunigt. Seit die Anwälte Schriftsätze über beA hereinreichen, gelangen diese meist noch am Tag der Erstellung zum Richter. Eventuelle Rückfragen können zeitnah erfolgen. Für die Geschäftsstellen hat sich die Zahl der telefonischen Nachfragen, z.B. bei Fristverlängerungen, durch die Laufzeitverkürzungen deutlich reduziert.

Der Zeitaufwand für die Erstellung einer Verfügung oder einer Signatur ist inzwischen erheblich gesunken. Hier konnten Abläufe vereinfacht oder beschleunigt werden. Nachdem anfangs kurze Verfügungen wie die Hinausgabe eines Schriftsatzes oder eine Fristverlängerung sehr viel mehr Zeit in Anspruch nahmen als bei der Papierakte, wurde das System angepasst. Es sind jetzt so genannte Stempelverfügungen und Schnelltexte vorgesehen, die jeweils mit drei Mausklicks erstellt werden. Jeder Richter hat hierbei die Möglichkeit, diese Verfügungen selbst anzupassen bzw. eigene Stempel zu erstellen. Die Bearbeitungsmöglichkeiten wurden hier inzwischen sehr gut an die Anforderungen der Richter angepasst.

Gerade am Landgericht bietet die jederzeitige Verfügbarkeit der Akte einen weiteren großen Vorteil. So kann die Akte durch den Vorsitzenden und die Beisitzer zeitgleich bearbeitet und es können parallel verschiedene Gutachten eingeholt werden. Auch in Kammersitzungen steht die Akte sowohl dem Vorsitzenden als auch den Beisitzern umfassend zur Verfügung. Hier sei jedoch anzumerken, dass es sich am Sitzungstag empfiehlt, gleich morgens oder zeitlich deutlich vor Beginn der ersten mündlichen Verhandlung den PC zu starten und eIP zu öffnen, um pünktlich mit der Sitzung beginnen zu können. Das Hochfahren des Rechners und der Start des Programms nehmen hier Zeit in Anspruch.

Als Richter eröffnen sich auch erweiterte Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Man kann einen Telearbeitsplatz beantragen oder den Laptop mit nach Hause nehmen und hat über eine gesicherte Einwahl in das Justiznetz Zugriff auf alle Akten, den Eingang und kann alle Verfügungen, Beschlüsse und Urteile erstellen.

In der Corona-Krise zeigt sich deutlich, welche Bedeutung die Digitalisierung erlangt. Am Landgericht Landshut können derzeit in der Zivilabteilung alle Richter, Rechtspfleger und die Geschäftsstellen, soweit diese mit Laptops ausgestattet sind, vollumfänglich von zu Hause arbeiten. Es treten keine technischen Probleme bei der Einwahl oder Performance auf.

Aus Umweltgesichtspunkten ist es zwar so, dass nun an jedem Arbeitsplatz ein weiterer Bildschirm Strom verbraucht, jedoch konnte im Gegenzug der Verbrauch an Papier und Toner stark gesenkt werden. Auch auf der Geschäftsstelle beschränken sich die Ausdrucke im Wesentlichen auf Ladungen an Zeugen, Parteien und Sachverständige.

Leider ist man durch das Arbeiten mit der elektronischen Akte gezwungen, nahezu die gesamte Arbeitszeit am PC zu verbringen. Am Landgericht Landshut wurden inzwischen alle Arbeitsplätze mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet, sodass man abwechselnd im Stehen und Sitzen arbeiten kann.

Ein Punkt, an dem noch großer Nachbesserungsbedarf besteht, ist der Support bei technischen Problemen. Hier funktioniert die Zusammenarbeit mit den Technikern noch nicht zufriedenstellend. Eröffnet man ein sog. Ticket, so erhält man zwar – meist – zeitnah einen telefonischen Rückruf, der jedoch häufig nicht zur Lösung des Problems führt. Telefonische Rückfragen und zeitlicher Vorlauf, bis ein Techniker kommt, führen meist zu Frust.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die anfangs sehr hohe Mehrbelastung erheblich reduziert hat und meines Erachtens den – inzwischen geringen – Nachteilen so zahlreiche und erhebliche Vorteile gegenüberstehen, dass das Arbeiten mit der elektronischen Akte einen Gewinn für die tägliche richterliche Arbeit darstellt.

Richterin am Landgericht Daniela Seimel
Landgericht Landshut

Kurz nach der Einweihung des neu errichteten Justizgebäudes in Bad Kreuznach kam uns die Ehre zu Teil, seit dem 03.12.2018 als Pilotgericht (zusammen mit dem Landgericht Bad Kreuznach) mit der elektronischen Akte in Rheinland-Pfalz zu arbeiten. Ob dies positiv oder eher nicht so positiv sein würde, war vielen vor dem Start nicht klar. Nach etwas mehr als einem Jahr Nutzung steht jedoch fest, dass die elektronische Akte ihre Rechtfertigung besitzt und nicht mehr aus dem Arbeitsalltag wegzudenken ist. Mittlerweile werden nahezu alle Verfahren ausschließlich elektronisch geführt.

Die erste Veränderung betraf die Ausstattung des Arbeitsplatzes. Jeder erhielt neben einem Laptop einen zweiten beweglichen Bildschirm mit Touchfunktion, was die tägliche Arbeit erheblich erleichtert. Lästiges Schließen und Öffnen von Fenstern ist seitdem fast nicht mehr notwendig. Programme und auch eIP selbst können gleichzeitig nebeneinander auf zwei Bildschirmen aufgerufen werden. Die Verifizierung erfolgt mittels Codekarte und Passwort.

Die größte Befürchtung bestand zunächst vor dem Verlust des Gefühls, die Akte im Ganzen nicht mehr in den Händen zu spüren. Ein klarer Vorteil der Papierakte war, dass man schnell und unkompliziert farbliche Hervorhebungen mit Textmarkern vornehmen oder Post-its am Rand wichtiger Seiten anbringen und sich so in der Sitzung selbst schneller in der Akte zurechtfinden konnte. Zudem konnte man eigene Zettel in die Akte legen. Auch das Blättern und Suchen in der Akte gelang zügig. Dies ist bei der elektronischen Akte naturgemäß nicht mehr möglich. Dennoch würde ich den Verlust dieser Möglichkeit nicht als negativ beschreiben. Die elektronische Akte bietet hierfür verschiedene Alternativen an. Der Text kann – vergleichbar einem Textmarker – unkompliziert und genauso schnell farblich hervorgehoben werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Annotationen an jeder Stelle der Akte dauerhaft anzubringen. Es wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, zu wählen, ob persönliche Hervorhebungen nur für einen selbst oder alle anderen sichtbar sein sollen. Daneben kann man relevante Seiten der elektronischen Akte in einen Unterordner, die Handakte, ablegen. Dieser Unterordner, der ebenfalls nur für einen selbst sichtbar sein kann, schafft eine zusätzliche Strukturierung und Straffung der Materie des Rechtsstreits. Dies hilft insbesondere in den Sitzungen selbst. Diese Funktion dürfte gerade auf Landgerichtsebene, wo die einzelnen Verfahren naturgemäß umfangreicher und komplizierter sind, ihre Stärke entfalten.

Die elektronische Verwaltung der Akte bringt auch den Vorteil, ganze Textpassagen zu kopieren und andere Dokumente einzufügen. Hierdurch können Aktenauszüge erheblich schneller angefertigt werden. Auch das Abfassen eines Urteils, beispielsweise in Bezug auf die gestellten Anträge der Parteien, gelingt einfacher. Unmittelbar damit verknüpft ist auch die Möglichkeit der Verwendung der Suchfunktion. Die gesamte Akte kann auf bestimmte Schlagwörter hin sekundenschnell durchsucht werden.

Im eIP selbst wurde auch die Verwendung des Internets integriert. Fundstellen können direkt in einem Unterordner abgelegt werden. So kann die gefundene Rechtsprechung oder Kommentarliteratur unkompliziert in die Akte gespeichert werden. Ein ressourcenbelastendes Ausdrucken ist nicht mehr notwendig.

Zum System eIP selbst ist zu sagen, dass die Anfertigung von Verfügungen im Vergleich zur Papierakte mit etwas Übung nicht länger dauert. Die Möglichkeit der Verwendung von Kurztexten, die auch persönlich erstellt werden können, beschleunigt die tägliche Arbeit sogar. In Verbindung mit der Einbettung von beA funktioniert der Austausch von Dokumenten zwischen Gericht und Rechtsanwälten deutlich schneller als früher.

Ein erheblicher Vorteil besteht darin, alle Verfahren zentral abrufbar auf dem Laptop zu haben. Dies geschieht ortsunabhängig. Über eine gesicherte Verbindung kann man sich unkompliziert über jedes verfügbare Netzwerk im System einwählen. Das lästige Schleppen zahlreicher oder schwerer Akten gehört damit der Vergangenheit an. Zudem entsteht durch die Ortsunabhängigkeit eine zuvor nicht dagewesene Flexibilität. Das Arbeiten an jedem beliebigen Verfahren kann zunächst im Büro erfolgen und dann nach kurzer oder längerer Unterbrechung beispielsweise zu Hause weitergeführt werden. Hierfür ist allerdings das Herunter- und erneute Hochfahren des Laptops eine zwingende Voraussetzung. Hier wäre eine einfachere Lösung wünschenswert. Besonders hervorzuheben ist auch, dass die eAkte während der Zeit des Corona-Virus ihre eigentliche Stärke trotz teilweiser Systemprobleme voll ausspielen konnte. So war es möglich, die Arbeit vollständig orts- und zeitunabhängig zu erledigen und nebenbei z.B. die erheblichen Betreuungsprobleme mit Kindern relativ einfach in den Griff zu bekommen.

Es ist klar, dass es verbesserungsbedürftige Punkte gibt. Diese Punkte im Alltag zu finden, damit konfrontiert zu werden und eine Lösung zu erarbeiten, ist Teil des Pilotprojekts. Beim Landgericht Kaiserslautern wurde die elektronische Akte bereits im Sommer 2018 eingeführt. Insoweit wurden wir mit den dort aufgetretenen Problemen nicht mehr oder nur kaum konfrontiert. Bei einem System, welches ständigen Updates ausgesetzt ist, kommt es aber auch zu neu auftretenden Schwierigkeiten. Zudem ist hervorzuheben, dass die elektronische Akte in Kaiserslautern nur beim Landgericht getestet wurde. Die Eingangszahlen neuer Verfahren sind auf dieser Ebene erheblich geringer als auf Ebene der Amtsgerichte. Daher war es nicht verwunderlich, dass am Amtsgericht Bad Kreuznach das Auftreten von Störungen oder Problemen erheblich höher war. Hierbei handelte es sich überwiegend um kleinere Schwierigkeiten, die schnell in den Griff zu bekommen waren. Im Rahmen der vor der Einführung zwingend durchzuführenden Schulung wurde die konkrete Vorgehensweise dargelegt, so dass schnelle Abhilfe in der Regel garantiert war.

Der sicherlich gravierendste negative Punkt ist jedoch das gelegentliche Auftreten von Betriebsstörungen des Akten-Systems eIP. Kommt es hierzu, funktioniert in der Regel nichts mehr. Weder die Geschäftsstellen noch Richter können dann in eIP arbeiten. Auch das Aufrufen noch zu bearbeitender Akten ist nicht möglich. Der Arbeitstag ist in der Regel zwangsweise beendet. Dies stellt zunächst die Geschäftsstellen vor die größten Probleme, da der Posteingang weiterläuft und die Zahl der Aufgaben ab Behebung der Störung erheblich höher ist. Da die Posteingänge erst noch verarbeitet werden müssen, kommt es bei den Richtern zu einem über mehrere Tage gestreckten leicht erhöhten Eingang der Aufgaben, was sich aber unproblematisch in den Griff bekommen lässt. Auf Seiten der Richter führte mehrmals in der Vergangenheit ein Systemausfall zu dem nahezu unlösbaren Problem, dass mangels aufrufbarer Akte in der Sitzung nicht verhandelt und insbesondere nicht in die Beweisaufnahme eingetreten werden konnte. Gerade bei Verkehrsunfallsachen, die besonders am Amtsgericht gehäuft auflaufen, ist eine Inaugenscheinnahme der Akte und der darin befindlichen Beiakten, Lichtbilder und Sachverständigengutachten unerlässlich. Die Sitzung musste dann trotz der Anwesenheit der geladenen Personen verschoben werden. Dies stieß – verständlicherweise – wiederholt auf Unmut und Unverständnis auf Seiten der Anwaltschaft und der Parteien selbst. Diesem Problem wirkt mittlerweile der sogenannte "Offline-Modus" entgegen, der ein Lesen einer bereits zuvor einmal geöffneten Akte auch bei Ausfall des eAkten-Systems ermöglicht.

Eine sinnvolle Ergänzung könnte die Ausstattung mit Tablets sein. Zwar besteht die Möglichkeit, einen der beiden Bildschirme – der als Touchscreen bedienbar ist, was jedoch nur wenig bis gar nicht genutzt wird – fast flach vor sich auf den Tisch zu ziehen. Allerdings ist es nicht mehr möglich, mit der Akte herumzulaufen. In der Folge wird mehr Zeit sitzend am Schreibtisch verbracht als vorher. Die Auswirkungen des hierdurch verursachten Bewegungsmangels bleiben abzuwarten.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Befürchtungen in Bezug auf die elektronische Akte fast vollständig unbegründet waren. Die Umstellung erfolgt schnell und ohne Probleme, sofern man bereit ist sich der Veränderung zu öffnen. Die elektronische Akte ist ein unverzichtbarer Teil der täglichen Arbeit geworden. Sie hat noch ein paar Schwächen und bedarf an wenigen Stellen der Nachjustierung. Es ist aber Sinn und Zweck der Einbeziehung eines Pilotgerichts, diese Schwachstellen im Praxistest zu identifizieren, um den Start zum gesetzlich festgelegten Zeitpunkt möglichst reibungslos zu gewährleisten. Es bestehen keine Bedenken, dass dies noch deutlich vorher vollständig umgesetzt sein wird. Alle Gerichte, die derzeit noch nicht mit der elektronischen Akte konfrontiert wurden, können und sollen sich freuen, einen echten Zugewinn begrüßen zu dürfen.

Richter am Amtsgericht Sebastian Maiwald
Amtsgericht Bad Kreuznach